Das Ringen um die Wahner Heide (ca. 1950 bis heute)

Flugzeuge, Panzer, Tourismus und Naturschutz: Neue Konflikte in der Nachkriegszeit.

Flughafen Köln / Bonn

Flughafenausbau
Flughafenausbau Ende der 1960er Jahre, Sammlung Benno Krix.

Auf dem Flughafen der Royal Air Force entwickelte sich parallel auch der zivile Flugverkehr, zunächst durch die British European Airways (BEA), dann durch die Köln-Bonner Flughafen GmbH, die 1950 gegründet wurde. Ein Jahr nach der Übergabe aller Anlagen an die Bundesdeutsche Luftwaffe entschied die Landesregierung, Köln-Bonn zum Großflughafen für die neue Bundeshauptstadt Bonn auszubauen. Damit wiederholte sich die Geschichte: Neue Technik und neue Infrastruktur erforderte einen immer höheren Flächenverbrauch.

 

Flughafen in der Heide
Blick vom ehemaligen Camp Altenrath Richtung Flughafen

Heute liegen wertvollste Teile der Heide unter versiegelten Flächen. In den Einflugschneisen kann nur Niederwald kultiviert werden. Aber die Region profitierte auch und das nicht nur wirtschaftlich. Auf dem abgeschirmten Flughafengelände sind z. B. bodenbrütende Vögel vor freilaufenden Hunden geschützt, die Ausgleichsleistungen des Flughafens bilden die finanzielle Grundlage für Maßnahmen zum Biotopmanagement im Naturschutzgebiet Wahner Heide.

Vom Schießplatz zum Panzerübungsgelände

Belgische Panzer in der Heide
Belgischer Panzer in der Wahner Heide, Militärgeschichtliche Sammlung Wahn.

Ab 1950 rückten belgische Truppen ein. Sie kamen nach dem Krieg als „Besatzer“, agierten seit 1955 aber als NATO-Verbündete. Bis 1953 wurden die Kasernen bei Spich und Altenrath gebaut und dafür weitere Heideflächen versiegelt. Der ehemalige Artillerieschießplatz wurde zum Panzerübungsplatz, wiederum mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Entwicklung der Landschaft.

Birkenwald am Hühnerbruch
Birkenwald am Hühnerbruch, Foto: Stefan Pütz.

Die Panzer hielten ein breites Band offener Heideflächen und Sanddünen, das von der Kaserne in Spich bis in die Aggeraue führte, von Bewuchs frei. Sie zerpflügten den Boden und verdichteten ihn, so dass in Tümpeln neue, wertvolle Lebensräume entstehen konnten. Auf den nicht mehr militärisch genutzten Flächen breiteten sich Birken aus, es entstand ein sog. Sekundärwald. Der Abbau von Bodenschätzen wurde großzügig geduldet, was besonders in der Tongrube bis weit in die 1980er Jahre zu einem unkontrollierten Raubbau führte.

Schild militärisches Sperrgebiet
Bestimmungen der Öffnungszeiten, gültig von 1978 bis 2004

Bis 1968 war die Heide für die Bevölkerung gesperrt, gleichzeitig wurde die Naturschutzverordnung von 1931 erneuert. Nach Protesten aus der Bevölkerung kam es zu Öffnungen der Randbereiche an den Wochenenden und Feiertagen, die 1978 auf nahezu die gesamte Heide ausgedehnt wurden.

Ab ins Grüne

Wegemarkierung
Wegemarkierung

Mit dem schnellen Wachstum der Städte und der zunehmenden bzw. erstmals frei verfügbaren Zeit nahm das Bedürfnis nach Erholung zu. In Köln gründeten sich 1911 die „Naturfreunde“, die ihre erste gemeinsame Wanderung durch den Königsforst machten. Im Königsforst war besonders die Ortsgruppe Köln des Eifelvereins (gegr. 1888) aktiv, die auch Wanderwege markierte und Wanderführer herausgab.

Gasthaus Heidekönig
Gasthaus Heidekönig, beliebte Waldwirtschaft beim Forsthaus Telegraf.

Die wachsende Zahl Erholungssuchenden steigerte die Nachfrage nach Gaststätten, um sich zu erfrischen und Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Gerne wurden darüber hinausgehende Angebote wie Konzerte oder Kahnfahrten wahrgenommen. In der Forsbacher Mühle aus dem 17. Jh. wurde 1880 erstmals ein Gaststättenbetrieb erwähnt, der sich schließlich als lukrativer erwies als die Mühle, die deshalb 1912 aufgegeben wurde. Willi Ostermann, der bekannte Kölner Liederdichter („Heimweh nach Köln“ mit der Zeile: „Ich möcht‘ zu Fuß nach Köln gehen“), war hier regelmäßig zu Gast. An der Verlängerung des heutigen Pestalozziweges in Rösrath steht das Wald- und Gartenrestaurant Haus Plantage. Im Forsthaus Telegraf wurden erstmals 1894 Wanderer bewirtet, das Waldcafé Haus Ravensberg kann ebenfalls auf eine lange Geschichte zurückblicken.

Umwelt macht Politik

Proteste 1992 gegen die Abholzungen des Hochwaldes im Bereich der Einflugschneise.

Mit steigendem Umweltbewusstsein in der Gesellschaft und der aufkommenden politischen Umweltbewegung wurden auch für die Wahner Heide neue Weichen gestellt. Naturschutzverbände, Militärs, Flughafenverwaltung und die Kommunen rangen miteinander um den Ausgleich ihrer Interessen und die zukünftige Entwicklung des wertvollen Landschaftsraumes. Der Abholzung des Hochwaldes in der Einflugschneise der Querwindbahn gingen 1992 heftige Protestaktionen z. T. mit Waldbesetzungen voraus.

Logo IAWH
Logo des Interkommunalen Arbeitskreises Wahner Heide

Die Städte und Kreise schlossen sich 1984 im Interkommunalen Arbeitskreis Wahner Heide zusammen. Im „Heideparlament“ wurden nicht nur die Interessen der Anrainer mit den Militärs diskutiert und die Abstimmung von Maßnahmen in der Heide verstetigt, sondern auch die Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch Publikationen und Veranstaltungen.

Belgisches Militär, Abzug aus Kaserne Wahn
Parade zum Abzug der Belgischen Streitkräfte aus Troisdorf

Nach dem Ende des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West ordnete man das Sicherheitsgefüge in Mitteleuropa neu. Die Belgier verließen ihre Garnisonsstandorte in Deutschland, so auch 2004 die Wahner Heide. Der Bund übernahm die Liegenschaften, die im Süden Standortübungsplatz der Bundeswehr blieben und im Norden als Nationales Naturerbe an die Deutsche Bundesstiftung Umwelt übertragen wurden.

Der Landschaftsplan schafft Verbindlichkeit

Seit 1975 das Landschaftsgesetz NRW an die Stelle des Reichsnaturschutzgesetzes trat, werden Entwicklungsziele für Naturräume in Landschaftsplänen festgeschrieben. Der Landschaftsplan Nr. 15 Wahner Heide legt seit 2007 verbindliche Leitlinien für die Entwicklung der Wahner Heide im Einklang von Nutzeransprüchen und Naturschutzinteressen fest.

Das Forum Wahner Heide Königsforst bei der Gründungsversammlung
Das Forum Wahner Heide Königsforst bei der Gründungsversammlung

An die Stelle des Interkommunalen Arbeitskreises ist mittlerweile das 2009 gegründete Forum Wahner Heide – Königsforst getreten. Es ist nicht nur ein Forum für den Austausch aller Akteure in Wahner Heide und Königsfrorst, sondern auch Dachverband für die Zugangsportale, die im Rahmen der Regionale 2010 eingerichtet wurden.

Die Entwicklung der einzigartigen Landschaft wird sich auch weiterhin im Zusammenspiel von menschlicher Nutzung und klimatischen Veränderungen vollziehen. Ob die Wahner Heide auch zukünftig mit ihrer Biotopvielfalt auf engem Raum und als Refugium für bedrohte Arten erhalten werden kann, hängt dabei von uns allen ab.

Mittlerweile stellt der enorme Besucherandrang, der durch die Corona-Pandemie nochmal verstärkt wurde, die größte Bedrohung für den Naturschutz in der Wahner Heide dar. Wildes Parken, frei laufende Hunde, das Benutzen aller Wege und Pfade nach „Gewohnheitsrecht“, Fotoshootings, Motocross und Mountainbiking abseits der Wege lassen kaum mehr Ruhezonen in diesem so wertvollen, aber auch so störungsempfindlichen Ökosystem. 

Wer die Wahner Heide zu seiner eigenen Erholung nutzen möchte, sollte sich stets bewusst machen, dass man mit dem eigenen Verhalten die Grundlagen dafür legt.

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