17.12.2017, 14:10 Uhr

Ehrenamtstag des Forums auf Burg Wissem

Am Samstag den 09.12.2017 hatte der Vorstand des Forums Wahner Heide / Königsforst, wie jedes Jahr, Ehrenamtler geladen, diesmal ins Portal Burg Wissem in Troisdorf, um ihnen für den Einsatz für Wahner Heide und Königforst zu danken.

Gleichzeitig wurden die Teilnehmer mit aktuellen Infos zu den letzten Entwicklungen versorgt, und davon gab es diesmal viele.

Begrüßung

Gut 40 Ehrenamtler und einige „Special Guests“ wurden um 10:30 Uhr vom Geschäftsführer des Forums Wahner Heide, Bernhard Fleischer vom Rheinisch-Bergischen Kreis, begrüßt. Herr Fleischer brachte auch das Programm für diese Veranstaltung auf einen aktuellen Stand: So konnte er, was ursprünglich kein Programmpunkt war, den neuen Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises präsentieren, Stephan Santelmann (CDU). Dieser übernimmt den Posten vom nach Berlin wechselnden Hermann-Josef Tebroke, und damit auch den Vorsitz im Forum Wahner Heide / Königsforst. So nutzte Herr Santelmann die Gelegenheit, sich vorzustellen und auch seinerseits Dank für den ehrenamtlichen Einsatz auszusprechen. Da er aus der Region komme, kenne er die Wahner Heide durchaus von privaten Familienspaziergängen, könne sich aber vorstellen, sich noch mehr als bisher mit der Naturschönheit dieses Gebietes, aber auch den politischen Rahmenbedingungen zu beschäftigen.

Landrat Santelmann, Bernhard Fleischer (Forum), Ulrike Tesch (Stadt Troisdorf)
Landrat Santelmann, Bernhard Fleischer (Forum), Ulrike Tesch (Stadt Troisdorf)

Grüner Schatz im Ballungsraum oder Perle im Sand?

„Sich damit beschäftigen“, das tut Ulrike Tesch schon seit einigen Jahren, als Leiterin des Amtes für Umwelt, Grünflächen und Friedhofswesen der Stadt Troisdorf, und damit zusammen mit Beate von Berg Hausherrin und Gastgeberin dieser Veranstaltung. Da gerade die Verantwortung für Umwelt und speziell die Wahner Heide für sie nicht nur Pflichtaufgabe sondern vielmehr Herzensangelegenheit sei (was sowieso alle wissen, die sie kennen), freue sie sich sehr, nun so viele Menschen hier versammelt zu haben, die sich ebenfalls mit Herzensliebe für die Sache der Natur einsetzen, so Frau Tesch. Denn so oft kriegt man all die Player, die doch aus so verschiedenen Ecken kommen (Militär, Forst, Naturschutz, Kommunen, Flughafen, Kreise,…), auch wieder nicht unter ein Dach und an einen Diskussionstisch. Auf dem Weg zu dieser Veranstaltung sei ihr auch wieder eingefallen, welche Mottos (Motti, Motten, ??, unter den Anwesenden war kein alter Lateiner, der den Nominativ Plural hätte aufklären können) für dieses Projekt sonst noch so im Rennen gewesen waren, als Alternative zu „Grüner Schatz im Ballungsraum“: Da gab es auch noch „Perle im Sand“, was irgendwie gepasst hätte zu dem diesjährigen Fokus, nämlich 200 Jahre Militärgeschichte Wahner Heide, von wegen nicht unbedingt Perlen, eher Bleikugeln, die sich nach wie vor im Heidesand als Geschossrückstände finden lassen.

200 Jahre Militärgeschichte Wahner Heide

Das war dann die Überleitung zum Vortrag von Frau Dr. Dahlmann, die eben jene 200 Jahre Militärgeschichte Revue passieren ließ, beginnend mit der Preußenzeit, der Ausweitung des Schießplatzes Wahn bis zur Jahrhundertwende, den Umbruch nach dem ersten Weltkrieg, der zivilen Phase bis zur NS-Zeit und die Nachkriegszeit, mit den belgischen Streitkräften als Besatzer und dann NATO-Verbündete, bis zu deren Abzug. Während des Vortrages von Frau Dahlmann mag der ein oder andere Teilnehmer aus dem Fenster geschaut, und dabei festgestellt haben, dass ein Schneetreiben eingesetzt hat, und das Ganze auch noch liegenblieb. Da konnte man sich beim Kaffee schon so Gedanken machen, ob das mit dem nachmittäglichen Außengelände-Programm noch soo viel Sinn machen würde.

Vortrag zur Militärgeschichte Frau Dr. Dahlmann
Vortrag zur Militärgeschichte Frau Dr. Dahlmann

Buch zur Militärgeschichte

Aber zunächst ging es weiter mit Innen-Theorie: Worauf alle (wirklich alle!) gespannt waren, wie das denn nun aussieht mit dem Buch der Bundeswehr, mit dem Titel „200 Jahre Wahner Heide – Vom Schießplatz zum Nationalen Naturerbe“, an dem so einige auch Anwesende mitgewirkt, aber noch nichts von der finalen Fassung gesehen hatten. Aufklärung brachte Brigadegeneral Gschoßmann, Standortältester Köln (der Bundeswehr), der das Buch dabei hatte, genauer gesagt einen Karton, aus dem heraus er Exemplare verteilte, so lang der Vorrat reichte, zunächst an verdiente Mitwirkende, womit der Postweg erspart wurde, dann an diejenigen, die beim Zugriff das größte Interesse zeigten.

Unter den Mitwirkenden war z.B. Emile Wauters, ehemals belgischer Soldat, der nach dem Abzug der belgischen Streitkräfte in Troisdorf geblieben ist und auch in Spich einige Jahre lang ein kleines belgisches Museum betreut hat (bevor dieses der gewerblichen Nutzung des Camp Spich weichen musste). Und Frau Dr. Wagner, Mitarbeiterin des Historischen Archivs der Stadt Köln, die den Artikel geschrieben hat über den Kaiserbesuch 1906 im Spiegel zeitgenössischer Zeitungsliteratur, der im Buch nachzulesen ist. Sie bekamen ihr wohlverdientes Buch-Exemplar persönlich überreicht, ohne Gerangel.

Aber der Reihe nach: Natürlich ließ es sich Herr Gschoßmann nicht nehmen, wie angekündigt, etwas zu dem Buch und seiner Entstehungsgeschichte zu sagen. Dass es zu diesem Thema und Jubiläum etwas geben solle, das war irgendwie schon klar, aber in welchem Rahmen, mit wem im Boot, wie und von wem verlegt, und finanziert, das war eher ein Prozess, der sich auch noch fortsetzte, als die Entscheidung, wir machen das!, schon gefallen war und der Umsetzungsprozess bereits begonnen hatte. Wie das eben so ist bei einem Projekt, an dem Viele beteiligt sind, man muss sich erstmal sortieren, manche Entscheidung wird pragmatisch und spontan, in dieser oder jener Sitzung getroffen, und da es auch „seltsam“ wäre, ein Buch zum Jubiläumsjahr 2017 irgendwann nach 2017 heraus zu geben, hat der Zeitdruck sein Übriges getan, und rechtzeitig vor Ende 2017 konnte Herr Gschoßmann also das anfassbare Ergebnis an just diesem Tag präsentieren und verteilen.

Brigadegeneral Gschoßmann stellt das Buch vor
Brigadegeneral Gschoßmann stellt das Buch vor

Buch bald zu haben in den Portalen

O.k., das Buch gibt es nun, nun mochte sich der ein oder andere fragen: wie komme ich da ran (wenn ich es heute nicht überreicht bekommen oder ergatterte habe), und was kann ich Interessierten sagen, als Portal-Betreiber, und was kostet das? Auf diese still gestellte Frage lautete die Antwort von Herrn Gschoßmann: jedes der vier Portale (Burg Wissem, Gut Leidenhausen, Turmhof Rösrath, Steinhaus Bergisch Gladbach) bekommt ein Kontingent von, sagen wir mal, Herr Fleischer, 50? 100? Exemplaren, die dann kostenlos! Zur Verfügung gestellt und nach Abwägung des jeweiligen Portals an die Besucher ausgegeben werden können. Bis Ende Dezember (2017) wird an jedes Portal eine entsprechende Ladung ausgeliefert. Also, das war ja mal eine konkrete Ansage, und wie es dann weiter geht wenn die erste 1.000-Stück-Auflage vergriffen ist, da schaun wir dann mal.

Mittagessen

Und damit war der nächste Programmpunkt erreicht: Mittagessen, angerichtet vom Portal-Gastronomie-Betrieb Quattro Passi (was anderes hätte auch keinen Sinn gemacht), italienischer Verschnauf der leckeren Art, Lasagne-geprägt, auch vegetarisch, mit der Gelegenheit, sich über das Präsentierte und Kommende, und Anderes, auszutauschen. Und wer sich nicht festgebissen oder festgeplappert hatte, zwischen Prosciutto und Bleimöpsen, der hatte noch Zeit gefunden, die an diesem Wochenende auslaufende Ausstellung zur 200-jährigen Militär-Geschichte Wahner Heide im Portal Burg Wissem anzuschauen. Nachtrag: Konzipiert und umgesetzt worden ist diese Ausstellung von Frau von Berg, zuständig für alles was in/auf Burg Wissem passiert, und Frau Dr. Dahlmann, als Fachfrau für Geschichte, und insofern schließt sich der Kreis zu dem Vortrag von Frau Dahlmann an diesem Vormittag.

Ende Innengelände, auf ins Außengelände

Gegen 13:30h ging es dann los, mit privaten PKWs, zum Außen-Event, am Parkplatz Fliegenberg-Heide, ca. 20 Übriggebliebene kamen dort an. Frau von Berg war nicht dabei, sie übernahm das After-Veranstaltungs-Management im Portal, der normal-sonntägliche Betrieb ging dort schließlich weiter. Inzwischen war auch Florian Zieseniß vom Bundesforst dazu gestoßen, zwischen noch zwei anderen Terminen an diesem Samstag, der zusammen mit Hauptmann Kunke die Moderation im Gelände übernahm. Hauptmann Kunke, der erst seit gut einem Jahr für den Bundeswehr-Standort in der Wahner Heide verantwortlich ist bzw. dabei ist, diesen Posten von Hauptmann Wenzel zu übernehmen, der demnächst in Rente geht, zeigte sich erstaunt über das Gewohnheitsrecht, mit welchem Spaziergänger nicht nur verbotene Wege nutzen sondern auch mitten durch Sperrzonen laufen würden, und wie resistent sie gegen Hinweise seien, wenn man sie darauf aufmerksam mache. Schilder und Schranken „habe ich alle nicht gesehen“, kriege er immer zu hören, und 50m weiter verschwinde der gerade Belehrte („Ja ja, ich bleib auf dem Weg“) dann sowieso wieder im Unterholz, samt freilaufendem Hund.

Anfang Außengelände: Hauptmann Kunke, Förster Zieseniß, U. Tesch, B. Fleischer
Anfang Außengelände: Hauptmann Kunke, Förster Zieseniß, U. Tesch, B. Fleischer

„Sperrzone? Na und?“

Dieses Problem kennen Herr Zieseniß, der schon seit einigen Jahren hier ist, und v.a. auch die ehrenamtlichen Landschaftswärter und Exkursionsleiter, wie Werner Funken, der schon seit Jahrzehnten in der Heide unterwegs ist, und nur beipflichten konnte: ohne direkte Maßnahmen, Strafe wegen Ordnungswidrigkeit, geht da gar nichts, aber die dürfen weder Bundeswehr, noch Forst oder Landschaftswärter erteilen. Herrn Kunke geht es dabei noch nicht mal primär um die Natur, gestörte Boden-Brutvögel wie die Heidelerche, sondern um die Sicherheit der Spaziergänger, denn es finden auch Schießmanöver statt, und wenn man da hinein gerät, kann das worst-case tödliche Folgen haben. Oder aber man wird von einem Geländefahrzeug erfasst, welches plötzlich hinter einer Bodenwelle auftaucht. Dass aus Kostengründen immer weniger Gelände-Fahrübungen mit Militärfahrzeugen stattfinden, liege an dem knappen Bundeswehr-Etat, und an der geopolitischen Lage: Da kein Feind aus Richtung Sowjet-Russland mehr zu erwarten sei, mache es keinen Sinn, diesen Ernstfall zu üben. Allerdings, die Bedrohungslage hat sich in den letzten Jahren ja auch wieder verschärft, wenn auch eher in Form von Terrorismus und lokalen Konflikten wie in Nahost, wer weiß, wie sich das dann auf den Militär-Etat auswirkt.

F. Zieseniß (Bundesforst) erläutert unseren/seinen Standpunkt, am Fliegenberg
F. Zieseniß (Bundesforst) erläutert unseren/seinen Standpunkt, am Fliegenberg
Fliegenbergheide
Fliegenbergheide
Fliegenbergheide
Fliegenbergheide

Nach wie vor gefährlich: explosive Geschoßrückstände im Boden

Für die Naturschätze der Wahner Heide wäre ein wieder intensivierter Übungsbetrieb mit Geländefahrzeugen wünschenswert, denn durch das Befahren mit schweren Reifen wird Rohboden geschaffen, auf den Pionierpflanzen wie der Sonnentau angewiesen sind, in den verdichteten Fahrspuren können sich Pfützen bilden, als Laichgewässer für Kreuzkröten und andere Amphibien. Derzeit jedoch wird es nur einen im Vergleich zur Nachkriegszeit bescheidenen Übungsbetrieb geben, es sind eher noch ältere Hinterlassenschaften, die immer noch im Boden liegen, die entsprechenden Hinweisschilder sind also keine Fake-Hinweise. Gerade das Geländer um den Moltkeberg sei immer noch ziemlich verseucht, nach wie vor würden jedes Jahr alle möglichen auch scharfen Gegenstände gefunden, wie Handgranaten, erzählte Herr Zieseniß. Beim Brand im April diesen Jahres unweit des Moltkeberges am Planitzweg sei eine ganze Wagenladung alte Munition eingesammelt und abtransportiert worden, die knapp unter der abgebrannten Grasnarbe lag und dann zum Vorschein kam.

Brandmanagement für die Heide

Ein Brand in der Heide ist für Herrn Zieseniß übrigens keine Katastrophe sondern eher Segen, wobei Brand nicht gleich Brand ist: Derjenige im April war ein Grasbrand, welcher das alte trockene Pfeifengras abgefackelt hatte, aber nicht tiefer in den Boden gewirkt hat, wodurch sich für Frühlingspflanzen die Chance ergeben hatte, neu auszuspriessen. Eigentlich bräuchte man viel mehr Feuer in der Heide, gerade auch um diese zu verjüngen, das Heidekraut und den Ginster, weshalb es den Plan gibt, in der Fliegenbergheide ein solches zu entfachen, Stichwort Feuermanagement, wie Herr Zieseniß vom oberen Waldrand mit Blick über die Heide erzählte. Dafür müsse aber alles passen: geht nur im Winter (bis Ende April), trocken, aber nicht zu trocken, Wind aus der richtigen Richtung (nicht Richtung Flughafen), und dann müssen alle benötigten Einsatzkräfte einschließlich Feuerwehr verfügbar sein, aber die könnten auch woanders sein, an diesem Tag, an dem alles passt, z.B. in der Drover Heide bei Düren. Ansonsten muss es auch ohne Feuer gehen, maschinell, ohne Freistellungsmaßnahmen würde die Heide verbuschen. Auch im angrenzenden Wald sind einzelne Kiefern entnommen worden, womit eine lichte Übergangszone geschaffen wurde zur offenen Heidelandschaft, eine Zone mit eigenem wertvollen Potential. Bei den Spaziergängern stoßen diese Maßnahmen meist auf wenig Verständnis, so Zieseniß, das sehe „unordentlich“ aus, und Bäume fällen/töten sei schlecht für die Natur. Wenn man es ihnen erkläre, wie heute, stelle sich meist das Verständnis ein, es bleibe aber mühsam, man kann auch nicht jeden Sonntag Aufklärungsarbeit vor Ort leisten.

Fliegenbergheide: F. Zieseniß erläutert die Forstmaßnahmen in der Heide
Fliegenbergheide: F. Zieseniß erläutert die Forstmaßnahmen in der Heide

Zum Abschluss: Blick vom Telegrafenberg

Inzwischen waren wir wieder in Parkplatz-Nähe, Herr Zieseniß auf dem Sprung zum nächsten Termin, eine Rest-Gruppe von ca. 10 Hartgesottenen folgte Herrn Kunke noch bis zum Telegrafenberg, mit Blick auf die verschneite Heide. Bei dieser Gelegenheit wurde an alte Zeiten erinnert, von denen es auch Schwarz-Weiß-Fotos gibt, zu denen man von hier aus gar keinen Baum gesehen hatte, während man heute in der Senke einen Waldrand erkennen kann. Aber bevor eine Diskussion aufkommen konnte, wieviel Wald und wieviel Heide sein sollte, wie damals, und welches damals das bessere war (vor 30, 50, oder 100 Jahren?), ging es dann doch auf den Rückweg, es war schon nach 15 Uhr, die Dämmerung kündigte sich bereits an, und der Wind war doch eher kalt.

Jedenfalls eine sehr informative Veranstaltung, einiges Altbekannte, aber viel Neues, jedenfalls eine gute Gelegenheit, mit den Zuständigen und anderen Interessierten ins Gespräch zu kommen, und neue Gesichter und Namen kennen zu lernen, bzw. alte zu erinnern. Nächstes Jahr geht es dann übrigens zum Portal Steinhaus im Königsforst.

Blick vom Telegrafenberg
Blick vom Telegrafenberg
Blick vom Telegrafenberg
Blick vom Telegrafenberg